Ein Trip nach Japan

von | Nov. 26, 2024 | Allgemein | 0 Kommentare

Der eine oder andere mag sich erinnern dass ich seit mehr als 25 Jahren zufriedener Anwender von Linux-basierten Systemen bin. Sicherheit, Performance, Bedienbarkeit und Flexibilität sind deutlich besser als bei kommerziellen Anbietern (ja, auch macOS ist nicht mehr das was, es mal war. Von Windows reden wir besser gar nicht). Da ich in der openSUSE Community bin ich auch seit vielen Jahren aktiv, und so habe ich nach mehreren (auch Corona-bedingten) Jahren Pause mal wieder einen Talk beim openSUSE Asia Summit in Tokyo angemeldet.

Der Talk wurde angenommen, und so wurde ein Flug nach Tokyo gebucht – ich treffe mich mit Freundin Amanda in München, ab da dann 12 Stunden non-stop. Seit dem imperialistischen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine muss Russland im Süden umflogen werden, ebenso wie Nord-Korea. Das kostet Zeit. Der Rückflug geht übrigens an Kamtschatka vorbei, über Alaska und kommt dann von Norden über Norwegen rein – 14,5h.

Für das Hotel wurde was in der Nähe des Konferenzortes gewählt – Roppongi heißt der Stadtteil, das Hotel ist 10Min zu Fuß vom Konferenzort, dem Azabudai Hills Tower, gelegen.

Vom Flughafen Haneda brauchen wir noch eine Stunde mit der U-Bahn bis zum Hotel, Gepäck abliefern (es ist noch Vormittag), und dann erst mal den Nahbereich erkunden: Auf den ersten Blick fallen die vielen kleinen Lebensmittelläden für den schnellen Snack zwischendurch auf, aber auch Ramen-Shops, Sushi Bars, Coffeeshops (die für das Getränk) und ein Ferrari-Händler. Also alles normal so weit.

Das Hotelzimmer ist wirklich winzig, der Platz reicht kaum um einen Koffer aufzuklappen. Das Bad ist klein aber funktional, und die Toilette ist High-Tech: Vorgewärmte Klobrille, Bidet eingebaut, musikalische Untermalung wenn gewünscht. Ich frage mich gerade wie viele Kraftwerke die brauchen, um die Klos landesweit vorzuwärmen, denn das ist da echt der Standard im ganzen Land!

Am nächsten Morgen, auf dem Weg zur Konferenz, wanken noch einige sichtlich alkoholisierte Nachtschwärmer durch die Straßen, und es gibt mehrere Anfragen ob ich nicht eine Massage möchte. Definitiv kein reiner Wohnbezirk hier.

Die Konferenz ist wie immer interessant, und der Ausblick aus dem 35. Stock ist grandios: Der Tokyo-Tower ist nebenan, man schaut von oben auf die Aussichtsplattform, und von der anderen Seite des Gebäudes kann man den Fuji sehen. Noch ohne Schneekappe, was Mitte November für eine nationale Krise sorgt.

Am Tag nach der Konferenz ist für die Speaker eine Tour nach Kamakura  organisiert worden. Der Ort liegt ca. eine Stunde mit dem Zug entfernt, südlich von Yokohama. Bei sonnigem Wetter treffen wir uns vor dem Engaku-ji Tempel. Kamakura war die de-facto Hauptstadt Japans von 1186-1333.

Die Tempelanlage bietet uns für heute eine Besonderheit: Nur am drei Tagen im Jahr wird der Shariden-Schrein ‚gelüftet‘, sprich die Tore geöffnet, so dass man einen Blick ins Innere werfen kann. Der Tempel beherbergt einen Zahn von Buddha und wurde auch mehrfach durch Erdbeben zerstört.

Nach einem Mittagessen in den Komachi Street (sehr touristisch) besichtigen wir den Tsurugaoka Hachimangu Schrein und später den großen Buddha. Die Bronzestatue ist hohl man kann das Innere besichtigen und die unterschiedlichen Fertigungstechniken für die verschiedenen Bereiche des Buddha bewundern.

Auf dem Rückweg zur Bahnstation kommen wir an den Tsunami-Evakuierungs Punkten vorbei: Detailliert ist der Fluchtweg in höher gelegene Bereiche beschrieben. Überhaupt, Erdbeben und die dadurch ausgelösten Tsunami begleiten Japan seit Jahrhunderten. Sie bestimmen die Bauweise der Häuser (schnell und günstig neu zu errichten), aber z.B. auch die elektrische Versorgung in den Städten: Die Leitungen sind nicht vergraben sondern hängen an Strommasten. So läßt sich das Netz im Falle eines Erdbebens schnell wieder aufbauen. Sieht zwar nicht so nett aus, aber man gewöhnt sich dran.

Für Tokyo haben wir einen Guru-Walk gebucht. Den Treffpunkt zu finden ist schon eine Herausforderung (und wenn man mal ehrlich ist, ohne Google Maps wäre man schlicht aufgeschmissen), und dann geht es gleich ins Eingemachte: Shibuya ist das Geschäftszentrum mit der berühmte Kreuzung, über die angeblich in Spitzenzeiten 2500 Menschen gehen – pro Ampelphase. Man kennt sie auch aus Tokyo Drift (den ganzen Film sollte man sich aber deshalb nicht antun) und natürlich aus der Geschichte von Hachikō, dem treuen Hund, der am Bahnhof täglich auf sein Herrchen gewartet hat, auch als dieser schon lange verstorben war. Dafür wurde ihm an der Shibuya Station ein Denkmal errichtet.

Neben anderen Sehenswürdigkeiten erreichen wir schließlich den kaiserlichen Palast. Wie erwartet imposant, auch wenn man leider nicht ins Innere kann.

Wir treffen dafür aber auf eine andere Rarität in Japan: Einen Mülleimer. Es ist total faszinierend, die Städte sind super-sauber, die Landschaft auch, aber es gibt praktisch keine öffentlichen Mülleimer! Jeder nimmt seinen Müll mit und entsorgt ihn zu Hause. Was zeigt, dass Müll in erster Linie eine Erziehungssache ist (das Thema Müll hatten wir auch in diesem Blogbeitrag). Die letzten öffentlichen Mülleimer wurden nach dem Sarin-Anschlag von 1995 in der Tokyo U-Bahn abgeschafft – die Bomben wurden in Mülleimern deponiert. In Sachen ‚Mehrweg‘ sind die Japaner aber deutlich hinten dran:Es gibt praktisch nur Einweg und Plastikverpackungen.

Wir treffen uns Abends mit Amandas Cousin und seiner Frau, die sich den Trip nach Japan zum gemeinsamen 50. Geburtstag gegönnt haben. Nahe Shibuya gibt es eine kleine Straße, Memory Lane, wo es ein Restaurant neben dem anderen gibt. Wobei Restaurant jetzt etwas übertreiben wäre. Unten wird meist gegrillt, und oben gegessen. Alles sehr eng, aber alles sehr lecker. Auch wenn man manchmal erst hinterher herausfindet, was man da eigentlich bestellt hat.

Videoanimation in Tokyo

Die Preise in Japan sind überraschend niedrig. Ein Essen mit Getränk bekommt man teils schon für 1200 Yen (160 Yen ~ 1 €), Sushi im Nishiki-Market von Kyōto auch schon für 800 Yen (5€).

Überhaupt Kyōto: Die ehemalige Kaiserstadt gilt nicht umsonst als Japans schönste Stadt. Mit dem Shinkansen ist man in 2:15h dort, mal so ein ganz andere Erlebnis als Deutsche Bahn: Geordnetes Einsteigen, pünktliche Abfahrt, pünktliche Ankunft, und viel Beinfreiheit. Der freundliche Schaffner verneigt sich vor den Fahrgästen bevor er den Wagen verlässt…

Unser Hotel liegt zentral im Stadtteil Gion. Über den Fluss ist man sogleich in der ‚Altstadt‘ – der erste Abend klingt in einer kleinen Gin-Destillerie leicht alkoholisiert aus.

Um die Ecke besser kennen zu lernen buchen wir wieder eine Tour. Mit unserem Guide Kazu, der ganz gut Englisch spricht, geht es durch die Altstadt von Gion, zum Tempel von Yasaka und den Maruyama-Park und den Kodaiji-Tempel. Er klärt auch die Missverständnisse bezüglich der Geishas und ihrer Dienstleistungen auf, und wir lernen, woran man ein Geisha-Haus erkennt. Danach gibt es eine Portion Ramen

Am Folgetag besuchen wir den Fushimi Inari-Taisha, einen Shinto-Schrein, den man über den Weg der 1000 Tore erreicht. Die orangen Tore, gespendet von Privatpersonen und Unternehmen, die damit für gute Geschäfte bitten, winden sich den Berg hoch. Zwischendurch findet man immer kleine Schreine mit Fuchsstatuen, den Boten der Gottheit Inari.

Nach der Tour geht es in eines der vielen kleinen Restaurants: Zwei kleine Spieße mit einem Bier, oder gebratene Auster mit noch einem Bier….ich erwische die schlechte Auster und verbringe den nächsten Tag auf dem Klo. Die Tour nach Osaka fällt damit aus.

Wieder einigermaßen auf den Beinen fahren wir eine Stunde mit der Regionalbahn nach Nara. Hier stehen der Todaiji-Tempel und natürlich der Nara-Park auf dem Programm. Im Park laufen Sika-Hirsche frei herum. Die Tiere sind total darauf konditioniert, von den Besuchern mit Keksen, die man dort kaufen kann, gefüttert zu werden. Der Legende nach wurde im Jahr 768 n. Chr. der erste der vier Götter des Kasugataisha-Schreins aus Kashima in der Präfektur Ibaraki nördlich von Tokio eingeladen. Die Gottheit reiste auf einem weißen Hirsch den ganzen Weg zum Berg Mikasa. In der Folgezeit galten Hirsche als heilig. Und so lassen sie es sich im Park gut gehen.

Ein anderer Tagesausflug bringt uns nach Uji, der Heimat des Grünen Tees. Hier findet sich angeblich der beste Tee Japans, entsprechend findet man viele Läden auf dem Weg zum buddhistischen Byodoin Tempel, der durch seinen puristischen Stil besticht.

In Uji findet sich auch die Statue der Murasaki Shikibu, der Autorin der ‚Tales of Genshi aus dem 11. Jahrhundert. Die literarische Bedeutung für Japan ist mit der der Nibelungen-Sage in Deutschland vergleichbar.

Die letzten Tage in Kyoto nutzen wir, die Burg Nijō-jo zu besichtigen, die 1603 als Residenz des Shōguns Tokugawa Ieyasu erbaut wurde. Sie spiegelt die Hochzeit der Samurai wider. Es lohnt sich hier auf jeden Fall eine Tour (in Englisch) zu buchen, um die Feinheiten zu lernen: Wer saß wo dem Shogun gegenüber, warum wurden manche Räume so gebaut wie sie gebaut wurden – meist um den Herrscher vor Angriffen zu schützen. Um die Burg herum sind weitläufige Parkanlagen.

Der sich einstellende Hunger wird schließlich im Nishiki-Markt gestillt: Über hunderte von Metern reiht sich ein Marktstand an den nächsten – Fisch, Fleisch, Nudeln, einfach alles. Hier durch zu gehen und verschiedene Sachen zu probieren ist ein Muß!

Um die Ecke ist auf das Minipig-Cafe, wo man mit mehr oder weniger großen Schweinchen spielen kann. Die große Sau kommt und legt sich gemütlich zwischen die Beine, die kleinen Ferkelchen oben drauf – das wars mit Bewegungsfreiheit!

Irgendwann ist die Zeit in Kyoto vorbei, es geht wieder zurück nach Tokyo. Hier bleiben wir noch eine Nacht vor dem Rückflug in einem Hotel nahe dem Senso-Ji Tempel. Das Hotel hat ein Onsen, eine heißen Quelle mit schwarzem Wasser. Im Eingang des Hotels zieht man die Schuhe aus, alles weitere findet Barfuß oder mit Flipflops statt. Die Badebereiche sind getrennt, in beiden sind Tattoos verboten – sie sind ein Zeichen der Yakuza, der japanischen Mafia. Richtige Baderituale konnte ich da nicht ausmachen, außer dass sich jeder, der in Pool mit schwarzem Wasser stieg, sich das kleine Handtuch auf den Kopf legte. Sah lustig aus, war aber irgendwie praktisch.

Resümee, was ist mir in Japan besonders aufgefallen ist:

  • Die Leute sind durchgehend freundlich, höflich und zurückhaltend. Das überträgt sich auch auf Besucher, auch im Gedränge – und es ist manchmal voll – gibt es kein Gerangel.
  • An den Bushaltestellen steht man automatisch in einer Schlange
  • Die Städte sind sauber – ganz ohne öffentliche Mülleimer. Was zeigt dass Müllentsorgung ein Erziehungsproblem ist, welches in der westlichen Welt – und nicht nur da – nicht ausreichend adressiert wird
  • Essen ist vielfältig und vergleichsweise günstig
  • Das lokale Bier ist gut trinkbar
  • Das Land ist leider zu weit weg um da öfter mal hinzufahren

Und was macht die Bootskatze in der Zwischenzeit? Die hat bei meinem Sohn Gorden Asyl gefunden, und später (Spoiler – ich war noch Ski fahren) bei Eric und Familie. Zumindest hat sich keine Langeweile eingestellt.

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