Von Kos kommend umrunden wir das Kap bei Knidos, und erleben den Kap-Effekt live und in Farbe: Während es hinter Kos fast Flaute war, nimmt der Wind um das Kap herum auf 15kn zu – und weiter auf der Leeseite des Kaps bis über 20kn. Fallwinde oder katabatische Winde trifft man häufig in der Ägäis, sie sind teilweise wesentlich stärker als die atmosphärischen Winde.
Unser Hafen, um in die Türkei einzuklarieren, ist Datça. Den Check-in kann man durchaus selbst machen, sofern man Türkisch spricht und ein türkisches Konto hat. Was wohl auf 99,9% der Besucher nicht zutrifft. Also muss man sich an einen Agenten wenden, die die Prozedur für einen durchführt. Über Transocean habe ich den Kontakt zu Knidos Yacht Agency bekommen. Ahmet und Agan sind freundlich und hilfsbereit, nehmen sogar unseren neuen Anker an und lagern ihn bei sich.
Die Türkei möchte sehr genau wissen, wer sie besucht: Neben 2 Bildern des Bootes , Zulassung, Versicherung, Segelschein usw. wird von jedem Crew-Mitglied ein Foto gemacht, bevor es den Einreisestempel gibt. Dazu gibt noch die Blue Card (dazu später mehr), alles in allem kostet der Spaß 240€, was vergleichsweise günstig ist. Wir legen für 2h am Hafen an um den Anker zu wechseln – der erste Hafen seit Frikes auf Ithaka!
Irgendjemand sagte, dass Datça seine bevorzugte Stadt im Süden der Türkei wäre. Wie recht er hatte werden wir bald feststellen. Wir finden jedenfalls ein paar nette kleine Restaurants, und den Wochenmarkt, ein Überfluss an Obst und Gemüse, Gewürzen und Tee. Wir kaufen entsprechend ein. Die Kommunikation ist oft mit Händen und Füßen, Taschenrechner (auf dem der Endpreis eingetippt wird) oder grobe Schätzung und Überreichung eines Geldscheins. Das Wechselgeld sagt uns dann, was es gekostet hat. Wir hatten nie den Eindruck, über den Tisch gezogen zu werden.
Der erste Schlag in der Türkei führt uns dann in die Bucht von Dirsek. Wir ankern in der Mitte auf einem Flach, die meisten anderen Boote gehen mit Buganker und einer Heckleine ans Land. Der neue Anker (27kg Ultramarine) ruckt zweimal über Stein und hält dann im Sand. Das Wasser ist klar, noch nicht richtig warm, aber lädt zum schwimmen ein. Wir bleiben 2 Tage, genießen die Ruhe und den Sternenhimmel.
Wir fahren um das Kap nach Bozbodurum, gehen vor Anker und fahren mit dem Beiboot in die Stadt. Die Uferpromenade ist gesäumt von Gullets, den typischen türkischen (Ausflugs-)Booten, die auf die Saisongäste warten. Ansonsten ist die Stadt nicht attraktiv oder hat ‚was zu bieten‘. Machen wir uns lieber auf den Weg nach Marmaris. Die Wettervorhersage verspricht einen Nordwest-Wind, der uns mit achterlichem Wind ums Kap bringen soll und dann weiter mit raumem Wind.
Die Richtung stimmt, nur was die Stärke angeht liegt die Wettervorhersage wieder meilenweit daneben: NW 20kn, 25, 30, 35kn. Hinter dem Kap kommen die katabatischen Winde hinzu, die über der Wasseroberfläche deutlich stärker sind als an der Mastspitze (wo der Windmesser sitzt). Als schließlich nur noch das kleine Stagsegel gesetzt ist (das Boot aber gefühlt bei jeder Bö angehoben wird) beschließe ich, abzukürzen und die Bucht von Ciftelik anzulaufen. Hier finden wir einen Ankerplatz auf 8m Tiefe und 60m Kette – es gibt hier immer noch Böen mit 35-40kn. Das wäre ein feuchtes Vergnügen mit dem Beiboot an Land zu fahren, so bleiben wir an Bord und schauen, was die Bordküche her gibt.
Durchfahrt nach Bozbodurum
Da dachte ich noch es würde besser nach dem Kap….
Am Morgen hat der Wind abgeflaut und wir kreuzen die restlichen 15sm nach Marmaris auf. Vor der Stadt gehen wir vor Anker. Marmaris hat auch einen großen Hafen, der aber, wie praktisch alle Häfen in der Türkei, komplett überteuert ist ( 450€ pro Nacht werden da gerne mal fällig). Dafür gibt es aber gute Einkaufsmöglichkeiten: Beim Schiffsausrüster kaufe ich noch 50m schwimmfähige Leine, frage nach Chaps für das Beiboot (Angebot war OK, aber hätte 5 Tage gedauert…), bekomme endlich eine physische SIM-Karte, Lebensmittel, Gemüse, Obst…das übliche. Der Ankerplatz wäre auch nicht schlecht, wenn die Ausflugsboote nicht in 5m Abstand vom Boot vorbei fahren würden!
Alles sehr touristisch, und definitiv nicht der Traum von schönen Buchten.
Die wird es aber endlich am nächsten Tag geben: In Richtung Osten geht es in die Bucht von Kargi Koyou südlich von Ekincik. Als wir in die Bucht einfahren riecht es nach Pinienwald, neben uns nur ein weiteres Boot, klares Wasser – so wünscht man sich das!
Wir buchen hier eine Tour in den Dalyan River: Der Dalyan ist ein Flussdelta, der zu der historischen Stadt Kaunos sowie den Felsengräbern an der Stadt Dalyan führt. Wir besichtigen die Stadt, die Gräber nur aus der Entfernung, und lassen auch das Schlammbad links liegen. Auf der Rückfahrt frischt der Wind auf, und es ist kalt – im T-Shirt friere ich mir den Allerwertesten ab (FunFact: In Düsseldorf wars wärmer). Abends gibt es dann auch noch ein fettes Gewitter mit kräftigem Reden – die Süßwasserdusche war überfällig!
Nach einer ruhigen Nacht müssen wir aus der Bucht kreuzen, bevor es südlich des Flughafens Dalaman in Richtung Göçek. In der Bucht südlich von Göçek, die man durch eine schmale Durchfahrt erreicht, trifft mich der Schlag: Jeder freie Flecken ist mit einem Boot belegt, welches mit einer Landleine an einem Felsen befestigt ist. Und auch der Ankerplatz von Göçek ist gerammelt voll. Die Anlegemöglichkeiten mit dem Beiboot sind bescheiden, aber dafür ein Einkaufsmöglichkeiten gut. Was Wunder, Göçek und Fethiye sind auch mit die Charterzentren in der Türkei.
Was war das mit der BlueCard?
In Göçek müssen wir auch zum ersten Mal die BlueCard zücken – zumindest virtuell. Mit dieser Karte (eigentlich ein QR-Code) wird nachgehalten, ob man seinen Schwarzwassertank auch regelmäßig entleert. Dazu gibt es Abpumpstationen, meist in den größeren Häfen. Jedes Abpumpen ist elektronisch registriert und wird auch von der Küstenwache kontrolliert.
Wenn man sich die Mengen von Sch… Abwasser vorstellt, die täglich von den großen Gullets (traditionelle türkische Boote) , vollgepackt mit partygeilem Volk, erzeugt werden, sicherlich eine sinnvolle Maßnahme. Leider wird für das Abpumpen teils kräftig zugegriffen: War Göçek mit 210 TL (4,60€) günstig und Çeşme im Mittelfeld (520TL), greift man in Datça mit 1500 TL (32€) oder Bodrum mit 1200TL (25,60€) schon kräftig zu. Das verstärkt natürlich das latente Empfinden, dass es in der Türkei weniger um Umweltschutz, sondern mehr um Umsatz geht. Was wir ja auch bei den Marina-Preisen gesehen hatten.
Nach Fethiye ist es nur ein Katzensprung. Der Bucht ist eine Insel vorgelagert, hinter der wir vor Anker gehen. Das Wasser lädt hier, wie auch in Göçek, nicht so sehr zum schwimmen ein.
Mit dem Beiboot fahren wir an Land, finden den Wochenmarkt und gehen einkaufen, es riecht nach Gemüse, Obst und Kräutern – herrlich. Wenn man schon mal in der Stadt ist, gehen wir auch Essen.
Nun haben wir genug Proviant für ein paar Tage und segeln nach Süden in die Bucht von Burguncuk. Ganz klein, klares Wasser, und im 2. Anlauf treffen wir den Sandfleck (auf Gestein ankert man nicht so gut). Abends ein traumhafter Sternenhimmel, aber leider dreht sich das Boot irgendwann quer zur Welle, was eine ziemliche Schaukelei ist. Ich will am nächsten Tag schon entnervt weiter fahren, aber Amanda überzeugt mich, doch mal eine Landleine zu legen. Damit verhindert man dass das Boot frei schwingt, und damit richte ich das Boot zum Ausgang der Bucht aus. Welle von vorne ist schon viel angenehmer, und so bleiben wir noch zwei Nächte.
Ja wo ist denn die Einfahrt?
Eine der schönsten Buchten in der Gegend um Fethiye
Die Frage die sich stellt: Fahren wir weiter nach Süden, Richtung Antalya, oder gehen wir lieber die Westküste hoch in Richtung Norden? Die Aussicht auf ‚weniger Touristen‘ gibt dann den Ausschlag, doch umzudrehen.
Wir laufen nochmal Fethiye an, diesmal näher an der Stadt, kaufen ein und gehen Essen (Sehr gut: Lokanta Fethiye). Auf dem Rückweg zum Boot fällt uns der Dreck im Meer auf: Plastiktüten, Gummi-latschen, Obst. Und es stinkt. Wir gehen Anker auf und ziehen um zur Insel am Eingang der Bucht.
Es geht also wieder Richtung Westen. Was ich zu dem Zeitpunkt nicht ahne – bis wir später in der Nähe von Çeşme wieder nach Griechenland gehen, werden wir praktisch nur gegen den Wind fahren. Genau so startet es dann auch, mit angenehmen 12kn Wind in der Bucht, dann auf einmal nichts mehr, am Kap dann 25kn (natürlich gegenan), danach wieder kaum Wind…es bleibt anstrengend.
Unser Tagesziel ist die Blue Cove, die nicht nur ein Black Hole ist (kein Handynetz), sondern in der man auch mit Landleine ankert. Mandy springt mit der Leine rein und schwimmt an Land, Leine zu kurz, verlängern, Boot treibt quer (der Anker ist schon gesetzt), beim rangieren die versunkene Verlängerung nicht gesehen, Tampen in der Schraube….das ganze Programm. Aber irgendwann sind wir fest, schauen uns die Blue Cove an, und sind enttäuscht: Eine minikleine Höhle. Hätte ich da Geld für ein Ausflugsboot bezahlt wäre ich enttäuscht.
Aufkreuzen im Rhodos-Kanal
Später haben wir noch ein Kapitel aus ‚Lost in Translation‘: Eine Landleine wird im Englischen als Shore- oder Landline bezeichnet. Amanda telefoniert mit ihrer Schwester in Australien und erzählt ihr, dass es in der Bucht kein Handynetz gibt und sie mit der Landleine ans Ufer geschwommen ist und so weiter. Die Schwester ist erst ruhig, dann irritiert, und fragt schließlich, warum sie mit einem Telefonkabel an Land schwimmt. Und wo man das einstecken kann. Eine ‚Landline‘ ist nämlich auch ein Festnetztelefon im Englischen. Großes Gelächter, und seitdem der running gag.
Die Wettervorhersage zeigt für die kommenden 2 Wochen keinen Ansatz, dass der Wind sich auf Süd oder Ost dreht und uns gemütlich nach Westen bringt. Nein, er kommt genau da her, wo wir hin wollen – und im Kanal zwischen Rhodos und dem türkischen Festland ‚können es auch mal drei Windstärken mehr als angesagt‘ sein: Von der Küste weg 25-30kn (2 Reff und Stagsegel), in Küstennähe 12-14kn (Vollzeug), und immer gegen an…bis ich keine Lust mehr habe und die letzten 6 Meilen unter Motor fahre, bis in die Bucht von Bozukkale, die auch sehr schön und malerisch liegt. Am Ufer stehen Esel (Vierbeinig) und erzählen sich was, es gibt eine Burgruine, aber leider auch hier kein Telefonnetz, und ich müßte noch ein wenig arbeiten.
Also übernachten wir nur und fahren an der griechischen Insel Symi Richtung Norden, dann Nach Osten bis in die Bucht von Kuyulu Buku, wo wir vor Anker gehen. Klares Wasser, 26°C und Abends nur noch ein weiteres Boot. Und leider viele Mücken.
Wir bleiben drei Nächte. Die Versorgung hier wird von einem Carrefour-Boot übernommen, das durch die Buchten fährt und einen vollen Supermarkt herum schippert. Voll klimatisiert und zu zivilen Preisen. Er hupt bei der Einfahrt in die Bucht, man hupt zurück und winkt. Die letzten Meter machen wir mit dem Beiboot. Endlich mal wieder ein Eis!
Nach einem Zwischenstopp auf halbem Wege machen wir wieder in Datça fest. Die Coastguard vertreibt uns diesmal von dem Ankerplatz südlich des Hafens (im Sommer wolle man nicht dass dort geankert wird), also gehen wir nördlich des Hafens vor Anker, und müssen 2 Tage bleiben, da es kräftig weht. Ich versuche derweil einen Ohrenarzt zu finden: Nach dem Schnorcheln blutet es aus dem rechten Ohr. Ich finde zwar 2 Krankenhäuser, aber keinen Ohrenarzt. Muss also warten.
In Datça finden wir noch ein leckeres Restaurant (Ömer Usta Datca), Familienbetrieb mit Stühlen auf der Straße, wo wir gleich zweimal hintereinander essen gehen. Mit Datça als Start und Zielort geht die Südtour zu Ende: Jetzt geht es in die Ägäis.
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