Inzwischen ist es bereits Anfang Juni – die Nordwindlage in der Nordsee will einfach nicht vorüber gehen – wir hängen 4 Wochen hinter dem Zeitplan.
Christoph und ich verabreden uns für den Samstag, 3. Juni in London, um dann gemeinsam mit dem Zug nach Ramsgate zu fahren. Der Flug nach London ist auch problemlos, da gehts dann aber nicht weiter – die Bahn wird bestreikt. Alles was sich sonst noch bewegt ist komplett ausgebucht, ebenso die Hotels. Mit etwas Glück finden wir ein Zimmer nahe Kings Cross, mit dem dezenten Charme der 60er Jahre, dafür aber zum Preis eines First Class Hotels…wir sehen uns also noch etwas London an. In der Nähe ist die Hochschule und ein Kanal, die ganze Gegend wurde gut aufgepeppt. Gefällt.
Sonntags gehts dann mit dem Zug nach Ramsgate. Das Boot ist kräftig eingesandet und verlangt nach einer Wäsche. Was ebenfalls nicht fehlen darf – Frühstück im Ship Shape. Englischer als dieser Laden geht eigentlich nicht, das Personal ist immer gut drauf, das Publikum sehr gemischt und das Frühstück eben auch sehr Englisch.
Das macht auch großen Kindern Spaß…..
Ramsgate hat definitiv bereits bessere Zeiten gesehen, scheint aber aus dem Schlimmsten raus zu sein: Es wird kräftig in der ersten Reihe um Strand hin gebaut, und angeblich will man auch den Fährverkehr wieder aufnehmen. Schau mer mal…..
Wir haben eher das Problem, mal eine Supermarkt mit englischem Bier zu finden! Meist gibt es nur die Brühe, die man überall bekommt (Heineken, Peroni, Moretti, Stella Artois, um nur ein paar zu nennen). Ein Plausch mit dem Hafenmeister bringt uns auf die rechte Fährte, und so wandern ein paar Carling und John Smith in den Kühlschrank. Denn…wir wollen los!
Das Wetter ist noch alles andere als ideal – Nordwind. Entweder noch warten, oder schon mal kleinere Etappen machen. Wir versuchen es: Tagesziel Ipswich/Harwich.
Der kräftige Nordwind läßt auch unseren Ableger zur mittleren Katastrophe werden: Zwar alles richtig gedacht – ausdampfen aus der Spring – ist die Boxengasse aber doch so eng, dass wir schon auf der anderen Seite sind, bevor der Bug in den Wind zeigt….also werden wir nach Lee abgetrieben bis zum Steg. Nochmal in Ruhe überlegen, eine neue Spring setzen, und siehe da…es klappt doch.
Die folgende Kreuz – teils bis 30kn Wind, 2Reffs und Stagsegel – ist auch alles andere als vergnügungssteuerpflichtig: Die Themsemündung ist gespickt mit Flachs, entsprechenden Strömungen und einer steilen, chaotischen Welle. Und einigen Windparks, die man umsegeln sollte. Das Ganze ist so rappelig, dass selbst auf dem Tri alles durch die Gegend fliegt.
Plötzlich Gerumpel von hinten: Das Dinghi, welches auf dem mittleren Rumpf steht, hängt hinten vor dem Heck! Was war passiert? Zum einen hatte es Luft verloren, was man nicht sehen konnte da es unter einer Plane steht. Dadurch saßen die Spanngurte nicht mehr ganz fest. Zum anderen schlagen immer wieder Wellen zwischen Aussen- und Mittelrumpf hoch. Und eine dieser Wellen ist von unten unter die Plane gestiegen und hat das Boot runtergerissen. Die vordere Befestigung der Plane ist abgerissen. Wir schaffen es Boot und Plane wieder an Bord zu ziehen, bis aus ein paar Schrammen am Rumpf ist alles gut gegangen.
Zu guter Letzt steigt noch eine Welle von der Seite ein, die Christoph bis zum Hintern unter Wasser setzt. Zum Glück war die Türe zum Salon gerade zu, sonst wäre das Schiff geflutet worden.
Somit sind wir ganz froh als um 20.00h der Anker im River Stour bei Harwich fällt – nach knapp 58sm. Ankerpremiere. Und als Bonus funktioniert die Wasserpumpe nicht mehr.
So wirklich lustig ist die Fahrt nicht….
Wir bleiben 2 Nächte vor Anker, nachdem die Wasserpumpe es morgens dann wieder tat. Christoph schockt ja gar nichts, er geht selbst in der Schlammbrühe schwimmen. Was sich mir als bekennendem Warmduscher natürlich verbietet!
Als wir nach 2 Tagen dann um 09.30h auslaufen, haben wir noch Wind und Strom gegenan – man fährt zwar Schleifchen, aber die Welle ist glatt und es ist ein herrliches Segeln! Und, das muss man wirklich sagen, die Engländer sind aufmerksam: Wir werden von Harwich Traffic Control angefunkt und darauf aufmerksam gemacht, dass wir auch ein Flach zusegeln (was wir natürlich wußten). Aber im Flachen ist der Gegenstrom schwächer, da muss man jeden Meter nutzen…..
Als der Strom kentert wird es wieder ruppig, der Wind nimmt zu und mit 2 Reffs und Stagsegel geht es nach Lowestoft, wo wir gegen 22.30h einlaufen. Natürlich ohne uns vorher per Funk bei der Port Control anzumelden, was uns einen fetten Anschiss einbringt – schließlich wollte gerade ein großes Schiff auslaufen. Wir zirkeln in die kleine Parklücke beim Royal Norfolk and Suffolk Yacht Club – und sind redlich geschafft. 75sm unter eher schwierigen Bedingungen. Und wieder geht die Wasserpumpe nicht….
Lowestoft ist, wie viele englische Küstenstädte, hart vom Strukturwandel getroffen. Und der Brexit hat es eher verschlimmert. Die ganze Stadt sieht ziemlich abgerockt aus, die Einkaufsstraße etwas trostlos, viel Leerstand. Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants sind eher begrenzt, dafür Fastfood und Lieferdienste. Der Yachtclub versprüht den spröden englischen Charme, und das Essen ist hervorragend.
So verbringen wir hier noch 2 Tage eher der Wind auf Südost dreht und wir nach Norwegen können.
0 Kommentare